Entspannt durchs Bewerbungsgespräch
Autor: Ann-Katrin Grass (20.01.2021)
Saarbrücken, 20.01.2021 – Wer im Vorstellungsgespräch überzeugen will, muss passende Antworten parat halten. Die Frage nach den eigenen Schwächen und Stärken ist für viele Bewerberinnen und Bewerber unangenehm. Dabei können gerade diese Momente im Bewerbungsgespräch durchaus Spaß machen und zu einem interessanten Austausch zwischen Bewerber und zukünftigem Arbeitgeber führen.
Stärken und Schwächen: Warum sind wir so nervös?
Wenn der zukünftige Chef Fragen nach Stärken und Schwächen stellt, werden viele nervös. Ist es nicht der Sinn der Sache, dass man dem Arbeitgeber gefällt? Deswegen sind Schwächen manchmal sogar schwerer zu erklären als die eigenen Stärken. Das Problem: Was eine Stärke und was eine Schwäche ist, hängt von der Sichtweise ab. Nehmen wir doch einmal die "Geheimsprache", die sich bei Arbeitszeugnissen durchgesetzt hat. Hier werden Formulierungen wie "Er war ein kommunikativer Mitarbeiter" schnell zu "Er war geschwätzig" umgedeutet.
Schwächen sind menschlich
Aber muss das auch wirklich immer schlecht sein? Natürlich gilt die oben genannte Formulierung als negativ. Sie ist auch gar nicht positiv gemeint. Das enthüllt den Blick darauf, warum wir uns auch so vor Fragen wie "Was ist Ihre größte Schwäche?" fürchten. Wir haben Angst, dass alles, was wir sagen, negativ ausgelegt werden könnte. Das heißt, wir können uns Schwächen gar nicht erlauben. Wie soll man also auf so eine Frage die richtige Antwort parat haben?
Schwächen können auch Stärken sein
Gar nicht mal so schwer, wenn Sie Ihren Blickwinkel verändern. Denken Sie mal an Radiomoderatoren oder Comedians. Hier bekommt der Satz "Er ist kommunikativ" eine völlig neue Bedeutung. Was im Großraumbüro ein No-Go ist - nämlich geschwätzig sein - ist für den Animateur in der Freizeitbranche der größte Wettbewerbsvorteil. Das heißt, kommunikativ zu sein kann sowohl eine Stärke als auch eine Schwäche im Vorstellungsgespräch bedeuten. Es kommt immer auf den Job an, auf den Sie sich bewerben.
Was will der Arbeitgeber wissen?
Wenn der Arbeitgeber nach Stärken und Schwächen fragt, will er wissen, ob Sie in ein bestehendes Team passen oder wo Sie am besten eingesetzt werden können. Nicht mehr und nicht
weniger. Der Chef will wissen, wie sie ticken. Es ist eine unumstößliche Tatsache, dass Menschen Fehler haben. Die Schwächen eines lebendigen Wesens zu erkennen, ist nicht schwer. Wir
alle sind fehlerhaft. Das weiß auch Ihr Chef.
Ihr Chef erhofft sich von dem Vorstellungsgespräch und der Frage nach Schwächen und Stärken folgende Informationen:
- Ihre beruflichen Ziele und Vorstellungen erkennen,
- Sie persönlich einschätzen können,
- Ihre Arbeitsweise verstehen,
- Ihr Potenzial ermitteln und
- den Qualifikations-/Förderbedarf identifizieren.
Einen Qualifikations- und Förderungsbedarf könnte man zwar ebenfalls kritisch sehen. Aber auch das ist nicht notwendig. Denken Sie an das Thema betriebliche Ausbildung: Es ist vollkommen normal, dass Schulabgänger über keine weitere (Fach-)Qualifikation verfügen als ihren Abschluss. Trotzdem werden im deutschsprachigen Raum händeringend Auszubildende gesucht.
Versetzen Sie sich in Ihren zukünftigen Chef
Versuchen Sie wieder die Perspektive zu wechseln. Sie haben nämlich die Wahl, wie Sie die Situation für sich einschätzen. Entweder sehen Sie es als Versagen an, dass Sie nicht die richtigen Antworten zur Erklärung Ihrer Stärken und Schwächen parat hatten - oder Sie freuen sich! Der Personalverantwortliche hat Sie nämlich vor einem der größten Fehler Ihres Lebens bewahrt. In einem Team zu arbeiten, in das man nicht hinein passt, oder eine Aufgabe auszuführen, die Ihrer Persönlichkeit zuwiderläuft wird Sie früher oder später krank machen. Das ist keine Meinung, das ist eine gesundheitliche Tatsache.
Es gibt natürlich auch die Gefahr, dass Sie einen Gesprächspartner erwischen, der Spaß daran hat, einem die Worte im Mund rumzudrehen. Aber jetzt mal ehrlich: Wollen Sie mit so einem Menschen zusammenarbeiten? Jeden Tag? Mehrere Stunden? Seien Sie sicher, ein Chef, der so tickt, hat nicht lange wirtschaftlichen Erfolg. Die wichtigste Ressource eines Unternehmens sind seine Mitarbeiter.
Job-Designer "Anka": Seien Sie so, wie Sie sind!
Wenn Sie also nach Ihren Stärken und Schwächen gefragt werden, dann antworten Sie einfach so, wie Sie es als wirklich wahr empfinden. Oft wird empfohlen, eine Schwäche zu nennen, die keinen Bezug zur späteren Stelle hat. Das ist die seichte Variante. Zum Beispiel kann man als Spanischlehrer auf die schlechten Chinesisch-Kenntnisse verweisen. Man läuft aber auch Gefahr, nicht ernst genommen zu werden oder die eigene Persönlichkeit unzureichend darzustellen.
Frage nach Stärken und Schwächen als Chance
Eine pauschal passende Antwort gibt es nicht. Daher sehen Sie jede Frage im Vorstellungsgespräch als Ihre persönliche Chance. Wir lernen uns in einem Gespräch besser kennen. Das ist wichtig für das menschliche Zusammenleben. Im Endeffekt ist ja auch ein Vorstellungsgespräch wie ein Rendezvous: Man will sehen, ob man zueinander passt. Sie können insbesondere mit der Frage nach Schwächen überzeugen! Eine differenzierte und reflektierte Antwort zeigt, dass Sie sich selbst einschätzen können.
Der Schlüssel zum Bewerbungserfolg lautet somit: Kennen Sie sich selbst!
Quellen
Vorschaubild: Photo by Tim Gouw on Unsplash
Titelbild: Photo by Cytonn Photography on Unsplash
Autor
Ann-Katrin Graß
M.A. Prävention & Gesundheitsmanagement
Ann-Katrin "Anka" Graß arbeitet seit 2012 in der Gesundheits- und Sozialbranche. Ihre Themen sind Bewerbungstraining, Coaching und Bildungsberatung. Sie arbeitet mit Fach- und Führungskräften, die am Anfang ihrer Karriere stehen und sich beruflich entwickeln möchten. Sie beantwortet gerne Fragen der Personalentwicklung mit Bezug zu Industrie, Technik und Handwerk.
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